Shin Marunouchi Center Bldg. 18th Floor
1-6-2 Marunouchi, Chiyoda-ku
Tokyo 100-0005
Tel +81-3-5220-6500
Fax +81-3-5220-6556 (G3)
Fax +81-3-5220-6583 (Rechtsabteilung)
Der Oberste Gerichtshof Japans hat in einem richtungsweisenden Urteil vom 17. November 2015 weitere Kriterien zur Verlängerung der Patentlaufzeit aufgestellt, die dem Inhaber eines pharmazeutischen Patents gewährt wird angesichts der Zeit, die für das Genehmigungsverfahren beim Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales (MHLW) gemäß dem japanischen Gesetz zu Medikamenten und medizinischen Geräten (MmGG; vormals: Arzneimittelgesetz) erforderlich ist.
Die Laufzeit eines Patents beträgt nach dem japanischen Patentgesetz (PatG) maximal 20 Jahre und beginnt am Tag der Patentanmeldung in Japan. Auf Antrag des Patentinhabers beim Patentamt (JPO) kann die Laufzeit um einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren verlängert werden, wenn die patentierte Erfindung während dieses 20-jährigen Zeitraums für einen bestimmten Zeitraum nicht genutzt wurde, weil eine amtliche Genehmigung für die Ausübung der patentierten Erfindung erforderlich war – umgekehrt kann das Patentamt einen solchen Antrag insbesondere dann zurückweisen, wenn die Zulassung für die Nutzung der patentierten Erfindung nicht notwendig war. Das japanische Medikamentengesetz regelt nun im Hinblick auf die Herstellung und den Verkauf von pharmazeutischen Produkten, dass eine Genehmigung für deren Herstellung und Verkauf erforderlich ist. Bei einer solchen Genehmigung sind qualitäts-, wirkungs- und sicherheitsbezogene Produkteigenschaften wie z.B. Inhaltsstoffe, Menge, Dosierung, Anwendung, Wirkungen und Nebenwirkungen maßgeblich. Soweit diese Produkteigenschaften geändert werden, ist hierfür eine weitere Genehmigung erforderlich.
Erstgenehmigung: Im Fall Genentech ./. Japanisches Patentamt hatte ein US-amerikanisches Pharmaunternehmen am 28. Oktober 1992 ein Patent für ein pharmazeutisches Produkt (bevacizumab) angemeldet, welches am 14. Februar 2003 eingetragen wurde. Am 18. April 2007 erlangte der Patentinhaber die Erstgenehmigung nach dem Medikamentengesetz für die Herstellung und den Verkauf seines Produkts. Dieser Erstgenehmigung lagen bestimmte Anwendungen und Dosierungen zugrunde, und zwar bei Erwachsenen eine Infusion von 5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht oder aber 10 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und dies in Zeitabständen von zwei Wochen oder mehr. Auf Grundlage dieser Erstgenehmigung gab das Patentamt dem Antrag des Inhabers auf Verlängerung der Patentlaufzeit in Anbetracht der Zeit statt, die für das Genehmigungsverfahren nach dem Medikamentengesetz nach Patenteintragung benötigt wurde, also hier um vier Jahre, zwei Monate und drei Tage.
Folgegenehmigung: Am 18. September 2009 gewährte das Gesundheitsministerium auf Antrag des Patentinhabers angesichts neuer Dosierungen und Anwendungen seines Produkts eine weitere Genehmigung bzw. Folgegenehmigung nach dem Medikamentengesetz. Dieser lag bei Erwachsenen eine Infusion von 7,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht in Zeitabständen von drei Wochen oder mehr zugrunde. Der Inhaber beantragte am 17. Dezember 2009 beim Patentamt erneut eine Verlängerung der Patentlaufzeit und vertrat die Ansicht, dass das Patent für einen bestimmten Zeitraum nicht mit der Dosierung und Anwendung gemäß der Folgegenehmigung durch Herstellung und Verkauf verwendet wurde. Das Patentamt wies den Antrag am 6. Januar 2011 mit der Begründung zurück, dass eine Folgegenehmigung nicht notwendig war, da trotz der unterschiedlichen Dosierung und Anwendung die Wirkstoffe und Wirkungen übereinstimmten und der Inhaber insofern in der Lage war, das Patent zu nutzen. Der Inhaber legte am 18. April 2011 Beschwerde beim Patentamt ein, das jedoch die vorstehende Auffassung bestätigte. Der Inhaber hat daraufhin Klage beim IP High Court erhoben.
Der IP High Court gab am 30. Mai 2014 der Klage des Patentinhabers statt. Zweck der patentgesetzlichen Regelung zur Verlängerung der Laufzeit sei es, Nachteile des Patentinhabers zu verhindern und z.B. dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Patentinhaber möglicherweise seine Forschungs- und Entwicklungskosten nicht amortisieren könne, weil die verwertbare Patentlaufzeit durch das amtliche Genehmigungsverfahren verkürzt werde. Zudem sei im vorliegenden Fall die Dosierung und Anwendung der Erst- und Folgegenehmigung unterschiedlich, so dass der Inhaber sein Produkt mit der Dosierung und Anwendung gemäß der Folgegenehmigung nicht herstellen und verkaufen konnte, solange diese Folgegenehmigung nicht vorlag. Demzufolge habe das Patentamt die Laufzeit angesichts der Folgegenehmigung verlängern müssen.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte durch Urteil vom 17. November 2015 die vorinstanzliche Entscheidung des IP High Court. So seien die wesentlichen Eigenschaften eines pharmazeutischen Produkts in der Erstgenehmigung mit denen der Folgegenehmigung zu vergleichen und, soweit die wesentlichen Eigenschaften unterschiedlich seien, auch auf die Frage abzustellen, ob die Herstellung und der Verkauf eines pharmazeutischen Produkts gemäß der Erstgenehmigung auch die Herstellung und den Verkauf nach der Folgegenehmigung umfassten. Bei einer Produkterfindung, bei der die pharmazeutischen Inhaltsstoffe charakteristisch seien, würden die wesentlichen Eigenschaften durch die Wirkstoffe, die Menge, die Dosierung, die Anwendung und die Wirkungen bestimmt. Im vorliegenden Fall seien die wesentlichen Eigenschaften in Anbetracht der verschiedenen Dosierungen und Anwendungen bei der Erst- und Folgegenehmigung zu unterscheiden. Da aufgrund dieser Unterschiede das Produkt während des Verfahrens zur Folgegenehmigung nicht hergestellt und nicht verkauft wurde, sei dem Antrag zur Verlängerung der Patentlaufzeit im Hinblick auf die Folgegenehmigung stattzugeben.
Das Patentamt hat auf die vorstehende Entscheidung reagiert und bereits angekündigt, dass es seine Richtlinien für die Verlängerung der Patentlaufzeiten bis zum Frühjahr 2016 ändern wird.