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Seit dem 01.10.2015 werden in der Prüfung von Patenten und Gebrauchsmustern revidierte Prüfungsrichtlinien für Patente und Gebrauchsmuster (nachfolgend als „revidierte Prüfungsrichtlinien„ bezeichnet) sowie ein revidiertes „Handbuch für die Prüfung von Patenten und Gebrauchsmustern“ (nachfolgend als „revidiertes Prüfungshandbuch„ bezeichnet), die am 16.09.2015 veröffentlicht wurden, angewendet.
In diesem Artikel werden die revidierten Prüfungsrichtlinien erläutert.
Die Revision basiert auf den folgenden Grundprinzipien:
Im Übrigen wurden die Beispiele und Präzedenzfälle zusammen mit den ehemaligen Prüfungsrichtlinien für spezifische technische Gebiete (Computer/Software, Biologie, Arzneimittel) in das revidierte Prüfungshandbuch übertragen, damit sie in angemessener Weise aktualisiert werden können.
Die wesentlichen revidierten Punkte hinsichtlich des Prüfungsverfahrens in den revidierten Prüfungsrichtlinien sind:
Zum Klarheitserfordernis:
Zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit:
Die ausführlichen Erläuterungen der oben genannten revidierten Punkte sind nachfolgend zusammengefasst. Die Unterstreichungen in den Zitaten aus den revidierten Prüfungsrichtlinien wurden von uns hinzugefügt.
Als Grundprinzip der Prüfung wird klargestellt, dass „vorausgesetzt ist, dass grundsätzlich der Anmelderin die Verantwortung obliegt, die vorgeschriebenen Verfahrensschritte für die Patenterteilung selbst durchzuführen, wobei der Prüfer mit Hinblick auf ein hochqualitatives Patentrecht die Prüfung durchführt.“
Darüber hinaus wurden hinsichtlich der Vorgehensweise bei der Prüfung die folgenden anmelderfreundlichen Vorgehensweisen hinzugefügt.
a) Suche nach dem Stand der Technik
„Unter Berücksichtigung der Prüfungseffizienz bis zu einem Beschluss werden auch Elemente als Untersuchungsobjekte in Betracht gezogen, deren Aufnahme in die Patentansprüche durch eine Änderungseingabe erwartet werden kann“ (Teil I, Kapitel 2, Abschnitt 2, 2.2 (2)).
„[…] der Prüfer achtet darauf, dass möglichst wenige Erfindungen von den Untersuchungsobjekten ausgeschlossen werden“ (Teil I, Kapitel 2, Abschnitt 2, 2.3).
b) Wenn die Zurückweisungsgründe nicht ausgeräumt wurden:
Grundsätzlich wird ein Zurückweisungsbeschluss erlassen.
Allerdings „wird sich der Prüfer auch im Fall, in dem die mitgeteilten Zurückweisungsgründe zwar nicht ausgeräumt wurden, aber der Prüfer zur Ausräumung der Zurückweisungsgründe Maßnahmen, die von der Anmelderin getroffen werden könnten, aufzeigen kann und eine Einigung mit der Anmelderin, diese Maßnahme zu treffen, zu erwarten ist, mit der Anmelderin in Verbindung setzen und eine Mitteilung von Zurückweisungsgründen erlassen, wenn eine Einigung erreicht werden konnte. In diesem Fall wird grundsätzlich eine Letzte Mitteilung von Zurückweisungsgründen ausgestellt“ (Teil I, Kapitel 2, Abschnitt 5, 3).
Es wird auch erläutert, dass auch bei der Nachprüfung vor dem Beschwerdeverfahren in ähnlichen Fällen eine Letzte Mitteilung von Zurückweisungsgründen ausgestellt werden kann (Teil I, Kapitel 2, Abschnitt 7, 2).
c) Hinweise zu Änderungen und Teilanmeldungen:
„Der Prüfer gibt in der Mitteilung von Zurückweisungsgründen usw. Hinweise zu Änderungen, Teilanmeldungen usw., wenn er Maßnahmen aufzeigen kann, welche die Anmelderin zur Ausräumung der Zurückweisungsgründe treffen kann“ (Teil I, Kapitel 2, Abschnitt 8, 2.1).
a) Ausführbarkeitserfordernis und Stützungserfordernis
(1) Der Zusammenhang zwischen dem Ausführbarkeitserfordernis und Stützungserfordernis wird klargestellt.
„Die beiden Erfordernisse unterscheiden sich im Sinn und Zweck“ (Teil II, Kapitel 1, Abschnitt 1, 4.1.2).
(2) Nach den revidierten Prüfungsrichtlinien ist es nicht angemessen, bei der Mitteilung von Zurückweisungsgründen bezüglich des Ausführbarkeitserfordernisses oder Stützungserfordernisses nur verallgemeinerte Gründe wie z.B. „dass auf diesem technischen Gebiet eine Vorhersehbarkeit schwierig ist“, anzugeben, weil „es dadurch für die Anmelderin schwierig sein könnte, effektive Gegenargumente anzugeben oder zu verstehen, wie durch Änderungen die Zurückweisungsgründe ausgeräumt werden können“ (Teil II, Kapitel 1, Abschnitt 1, 4.1.1, und Teil II, Kapitel 2, Abschnitt 2, 3.1.1).
b) Klarheitserfordernis
(1) Ausdrücke, welche einen Bereich verundeutlichen
Es wird erläutert, dass der Bereich der Erfindung nur aufgrund der Ausdrücke, welche die Bereiche verundeutlichen („etwa“, „ungefähr“, „substanziell“, „im Wesentlichen“ usw.), nicht sofort als unklar zu beurteilen ist.
„Es wird unter Berücksichtigung der Beschreibung und Figuren sowie des technischen Allgemeinwissens zum Anmeldezeitpunkt geprüft, ob die Bereiche der erfindungsspezifischen Merkmale, welche diese Ausdrücke umfassen, vom Fachmann verstanden werden können oder nicht“ (Teil II, Kapitel 2, Abschnitt 3, 2.2(5)).
(2) Definition der Erfindung einer spezifischen Merkmalskombination durch das Merkmal einer anderen spezifischen Merkmalskombination
Zwei Beispiele für unklare Erfindungen:
(i) Selbst unter Berücksichtigung der Beschreibung und Figuren sowie des technischen Allgemeinwissens zum Anmeldezeitpunkt kann der Fachmann das Merkmal der anderen spezifischen Merkmalskombination nicht auf Basis des Merkmals des Anspruchs verstehen und demzufolge ist die Erfindung nicht klar.
(ii) Selbst unter Berücksichtigung der Beschreibung und Figuren sowie des technischen Allgemeinwissens zum Anmeldezeitpunkt „kann der Fachmann nicht klar erfassen, ob oder wie die Erfindung einer spezifischen Merkmalskombination durch das Merkmal einer anderen spezifischen Merkmalskombination definiert wird, und demzufolge ist die Erfindung unklar“ (Teil II, Kapitel 2, Abschnitt 3, 4.2).
(3) Patentansprüche einer Erzeugniserfindung, in denen das Herstellungsverfahren dieses Erzeugnisses beschrieben wird
Es wird die Vorgehensweise bei Product-by-Process-Ansprüchen erläutert, die angesichts des Gerichtsurteils vom 05.06.2015 (Nr. (Ju) 1204/2012, Nr. (Ju) 2658/2012) „Pravastatinnatrium-Fall“ modifiziert wurde.
„Falls in den Patentansprüchen einer Erzeugniserfindung ein Herstellungsverfahren dieses Erzeugnisses beschrieben wird, entsprechen die Angaben der betreffenden Ansprüche der Bestimmung, dass ‚die Erfindung klar und deutlich ist‘, nur, wenn zum Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung Umstände vorliegen, die es unmöglich oder im Wesentlichen impraktikabel machen, das Erzeugnis direkt anhand der Struktur oder der Eigenschaften des Erzeugnisses zu spezifizieren. Andernfalls wird die Erzeugniserfindung als unklar beurteilt.
Die folgenden Umstände sind als ‚unmöglich‘ bzw. ‚impraktikabel‘ zu werten:
(i) Die Analyse des Aufbaus oder der Eigenschaften des beanspruchten Erzeugnisses ist zum Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung technisch nicht möglich.
(ii) Für eine möglichst rasche Einreichung der Patentanmeldung wäre die Definition des Aufbaus oder der Eigenschaften des Erzeugnisses zu zeit- und kostenintensiv.
Die Anmelderin kann das Vorliegen dieser Umstände in der Beschreibung oder in einer schriftlichen Stellungnahme usw. erläutern“ (Teil II, Kapitel 2, Abschnitt 3, 4.3).
Im Übrigen sind die konkreten Beispiele dieser Product-by-Process-Ansprüche und Umstände in den Abschnitten 2204 und 2205 des revidierten Prüfungshandbuchs aufgeführt.
Im Folgenden werden die revidierten Punkte bezüglich der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit erläutert.
a) Es wird klargestellt, dass die grundsätzliche Anschauung hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eine Gesamtbeurteilung von Umständen, welche zur Anerkennung oder Verneinung der erfinderischen Tätigkeit führen, darstellt.
„(1) Bei dem Unterschied zwischen der beanspruchten Erfindung und der Erfindung der Hauptentgegenhaltung beurteilt der Prüfer, ob auf Basis der Umstände, die zur Verneinung der erfinderischen Tätigkeit führen, durch die Anwendung einer anderen entgegengehaltenen Erfindung (nachfolgend in diesem Kapitel als ‚Erfindung der Nebenentgegenhaltung‘ bezeichnet) oder unter Berücksichtigung des technischen Allgemeinwissens die Schlussfolgerung, dass die beanspruchte Erfindung für den Fachmann naheliegend ist, gezogen werden kann oder nicht.
(2) Wenn basierend auf Punkt (1) festgestellt wird, dass keine Schlussfolgerung möglich ist, beurteilt der Prüfer die beanspruchte Erfindung als erfinderisch.
(3) Wenn basierend auf Punkt (1) festgestellt wird, dass die Schlussfolgerung möglich ist, bewertet der Prüfer nach einer Gesamtbeurteilung, bei der auch die Umstände, die zur Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit führen, einbezogen werden, ob eine Schlussfolgerung möglich ist oder nicht.
(4) Wenn basierend auf Punkt (3) festgestellt wird, dass keine Schlussfolgerung möglich ist, beurteilt der Prüfer die beanspruchte Erfindung als erfinderisch.
Wenn basierend auf Punkt (3) festgestellt wird, dass eine Schlussfolgerung möglich ist, beurteilt der Prüfer die beanspruchte Erfindung als nicht erfinderisch.“ (Teil III, Kapitel 2, Abschnitt 2, Punkt 3)
b) Es wird erläutert, dass aus den Elementen, die zur Verneinung der erfinderischen Tätigkeit führen, auch das Vorliegen eines Anlasses durch eine Gesamtbeurteilung festgestellt wird.
„Das Vorliegen eines Anlasses, die Nebenentgegenhaltungen auf die Hauptentgegenhaltung anzuwenden, wird durch die Gesamtbeurteilung der Aspekte (1) bis (4) beurteilt. Der Prüfer muss dabei beachten, dass das man nicht immer nur durch einen der Aspekte feststellen kann, ob der Anlass vorliegt oder nicht“.
Insbesondere ist bezüglich des Punktes (1) Zusammenhang der technischen Gebiete deutlich beschrieben, dass grundsätzlich „auch die anderen Aspekte, welche einen Anlass geben könnten, gemeinsam berücksichtigt werden“ (Teil III, Kapitel 2, Abschnitt 2, 3.1.1).
c) Es wird klargestellt, dass als Umstände, die zur Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit führen, Hinderungsgründe berücksichtigt werden.
„Das Vorliegen eines Umstandes, durch welchen die Anwendung der Erfindung der Nebenentgegenhaltung auf die Erfindung der Hauptentgegenhaltung verhindert wird (Hinderungsgrund), führt zur Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit. Allerdings wird die erfinderische Tätigkeit verneint, wenn selbst unter Berücksichtigung des Hinderungsgrundes eine Schlussfolgerung ohne weiteres gezogen werden kann, dass die beanspruchte Erfindung für den Fachmann naheliegend ist.
Folgende Beispiele können als Hinderungsgründe genannt werden.
(i) Erfindung der Nebenentgegenhaltung, deren Anwendung auf die Hauptentgegenhaltung dem Zweck der Erfindung der Hauptentgegenhaltung entgegensteht.
(ii) Erfindung der Nebenentgegenhaltung, durch deren Anwendung auf die Hauptentgegenhaltung die Erfindung der Hauptentgegenhaltung nicht mehr funktioniert.
(iii) Erfindung der Nebenentgegenhaltung, deren Anwendung von der Hauptentgegenhaltung ausgeschlossen ist und daher die Anwendung nicht denkbar ist.
(iv) Erfindung der Nebenentgegenhaltung, die vom Fachmann normalerweise nicht auf die Hauptentgegenhaltung angewendet wird, da in der Veröffentlichung oder dgl., welche die Nebenentgegenhaltung beschriebt, hinsichtlich der Aufgabe der Erfindung der Hauptentgegenhaltung die Erfindung der Nebenentgegenhaltung als Beispiel beschrieben ist, deren Effekt und Wirkung anderen Beispielen unterlegen ist“ (Teil III, Kapitel 2, Abschnitt 2, 3.2.2).
d) Zu berücksichtigende Punkte bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
Die zu berücksichtigenden Punkte wie rückschauende Betrachtung, Aufgabe der Erfindung, allgemein bekannte Technik, sekundäre Indizien usw. werden klargestellt.
1) Zurückschauende Betrachtung
„Der Prüfer muss darauf achten, rückschauende Betrachtung wie in den folgenden Punkten (i) oder (ii) zu vermeiden, da er erst nach Kenntniserlangung über die beanspruchte Erfindung die erfinderische Tätigkeit beurteilt.
(i) Annahme, dass die beanspruchte Erfindung für den Fachmann naheliegend ist.
(ii) Der Prüfer wird bei der Beurteilung der entgegenzuhaltenden Erfindung zu sehr von der beanspruchten Erfindung beeinflusst.“
2) Aufgabe der Erfindung der Hauptentgegenhaltung
“Im Allgemeinen wählt der Prüfer als Erfindung der Hauptgegenhaltung eine solche aus, die mit der beanspruchten Erfindung hinsichtlich des technischen Gebietes oder der Aufgabe der Erfindung identisch ist oder in einem engen Zusammenhang steht.
Wenn als Erfindung der Hauptentgegenhaltung eine solche ausgewählt wird, die sich von der beanspruchten Erfindung hinsichtlich des technischen Gebietes oder der Aufgabe der Erfindung deutlich unterscheidet, wird eine Schlussfolgerung erschwert. In einem solchen Fall achtet der Prüfer darauf, dass eine umsichtigere Schlussfolgerung, ob die beanspruchte Erfindung ausgehend von der Erfindung der Hauptentgegenhaltung für den Fachmann naheliegend ist, notwendig ist […]. Ferner, […] die Tatsache, dass die Aufgabe der beanspruchten Erfindung neu und für den Fachmann normalerweise unausdenkbar ist, kann als Umstand angesehen werden, der zur Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit führt.“
3) Allgemein bekannte Technik
„Der Prüfer soll nicht alleine durch die Existenz der allgemein bekannten Technik die Überprüfung, ob eine Schlussfolgerung möglich ist oder nicht (die Überprüfung, ob bei der Anwendung dieser allgemein bekannten Technik Hinderungsgründe vorliegenden, usw.), auslassen“.
4) Sekundäre Indizien
„Der Prüfer kann z. B. kommerziellen Erfolg sowie die Tatsache, dass die Verwirklichung der Erfindung seit langer Zeit gewünscht war, als sekundäre Indizien berücksichtigen, durch welche das Vorliegen des Umstandes, der zur Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit führt, angenommen wird. Allerdings kann dies nur berücksichtigt werden, wenn der Prüfer durch die Argumentation oder Beweisführung seitens des Anmelders davon überzeugt ist, dass dieser Umstand auf dem technischen Merkmal der beanspruchten Erfindung und nicht auf anderen Umständen wie Verkaufstechnik, Werbung usw. basiert.“ (Teil III, Kapitel 2, Abschnitt 3, 3.3)
e) Methode zur Anerkennung der Erfindung sowie zur Prüfung der Neuheit im Fall, in dem die Erfindung einer spezifischen Merkmalskombination mithilfe des Merkmals einer anderen spezifischen Merkmalskombination definiert wird:
Wenn es so verstanden wird, dass das Merkmal der anderen spezifischen Merkmalskombination die Struktur, Funktion usw. der spezifischen Merkmalskombination in der beanspruchten Erfindung definiert, „beurteilt der Prüfer, dass die spezifischen Merkmalskombination in der beanspruchten Erfindung diese Struktur, Funktion usw. aufweist“ und, wenn zwischen der Erfindung der spezifischen Merkmalskombination und der entgegengehaltenen Erfindung ein Unterschied besteht, beurteilt der Prüfer die Erfindung der spezifischen Merkmalskombination als neu (Teil III, Kapitel 2, Abschnitt 4, 4.).
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